Im Bereich der psychologischen Therapie regeln bestimmte berufsethische Richtlinien Online-Interventionen. Derzeit halten Psychotherapeuten § 5 Absatz 5 der Musterberufsordnung von 2014 ein, der die Bedeutung persönlicher Sitzungen betont, jedoch Ausnahmen für bestimmte Fälle bei Beachtung besonderer Sorgfaltspflichten zulässt. Ärzte folgen ähnlichen Bestimmungen gemäß § 7 Absatz 4 der Musterberufsordnung für Ärzte von 2015, wobei die Notwendigkeit einer direkten Behandlung auch bei telemedizinischen Verfahren betont wird.
Obwohl beide Berufsordnungen ein wachsendes Interesse an digitaler Kommunikation zeigen, setzen sie auch Grenzen für die Fernkommunikation und betonen die persönliche Leistungserbringung. Die Bundesärztekammer interpretiert die Musterberufsordnung so, dass eine „Telekonsultation“ mit unbekannten Patienten berufsrechtswidrig ist. Die Anwendung von Begriffen wie „Ausnahmefälle“ und „Sorgfaltspflicht“ bleibt jedoch unklar, obwohl laufende Bemühungen darauf abzielen, diese Aspekte zu klären.
Aus sozialrechtlicher Sicht gibt es derzeit keine gesetzliche Grundlage für die Aufnahme von Online-Psychotherapieleistungen in den Katalog der von Krankenversicherungsträgern finanzierten Leistungen. Weder die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) noch der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten Codes für die Abrechnung von Online-Psychotherapie. Die Bundesärztekammer arbeitet derzeit an Ergänzungen zur Gebührenordnung für Telemedizin.
Die Bundesregierung plant die Einführung eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, auch bekannt als Digital-Gesetz – DigiG, welches im ersten Quartal 2024 verabschiedet werden soll. Ein zentraler Schwerpunkt dieses Gesetzesentwurfs liegt auf der Weiterentwicklung von Videosprechstunden und Telekonsilien, um Telemedizin als festen Bestandteil der Gesundheitsversorgung zu etablieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sehen vor, die Nutzung von Videosprechstunden zu erweitern und einfacher zugänglich zu machen. Dies wird durch die Aufhebung der bisher geltenden Begrenzungen erreicht. Der Gesetzentwurf reflektiert den zunehmenden Einsatz digitaler Technologien, um die Gesundheitsversorgung effizienter und patientenorientierter zu gestalten.
Für Personen, die nach der Bundesbeihilfeverordnung anspruchsberechtigt sind, können telekommunikationsgestützte psychotherapeutische Leistungen erstattet werden, wenn ihnen am Dienstort im Ausland keine Psychotherapie in ihrer Muttersprache angeboten werden kann.
Freiberufliche Therapeuten, Berater und Coaches, die unter dem Heilpraktikergesetz tätig sind, haben im Vergleich dazu mehr Flexibilität. Mit einer Erlaubnis zur Heilkunde können sie Beratung und Therapie im Gesundheitssektor anbieten, egal ob persönlich oder durch digitale Medien. Im Gegensatz zu medizinischen Fachkräften gibt es keine spezifischen berufsethischen Bestimmungen bezüglich der Art der Leistungserbringung, was Möglichkeiten für Online-Beratung jenseits des Gesundheitswesens eröffnet.
Fazit: Online-Therapie findet große Aufmerksamkeit und Interesse, unterliegt jedoch derzeit noch engen rechtlichen Grenzen für Psychotherapeuten und Ärzte, wobei klare rechtliche Regelungen noch ausstehen. Für Beihilfeberechtigte besteht die Möglichkeit der Kostenerstattung, während andere Versicherte die Erstattung im individuellen Einzelfall klären müssen. Approbierte Psychotherapeuten (siehe auch Berufsbezeichnungen) sind (noch) an die relativ enge Auslegung der Berufsordnung gebunden.
In der Praxis bedeutet dies, dass schwerwiegende psychische Störungen, eine Krise oder eine Notsituation nur im Setting der klassischen Therapie vor Ort diagnostiziert und behandelt werden dürfen. Bei leichteren psychischen Störungen kann Online-Beratung ein sinnvolles Zusatzangebot zur klassischen Therapie in einer Praxis sein, z.B. weil vor Ort kein passendes therapeutisches Angebot zur Verfügung steht.
Um Ihre Fragen in Ihrem persönlichen Einzelfall zu klären, wenden Sie sich bitte über das Kontaktformular an die Praxis.