Wege zu einem glücklichen Leben

Die Briefe an Lucilius sind eine Sammlung von Briefen, die der antike römische Philosoph Seneca an seinen Freund Lucilius geschrieben hat. In diesen Briefen geht es um grundlegende Fragen einer „guten Lebensführung“. 

Senecas Prinzipien finden in verschiedenen Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie eine praktische Anwendungen zur Förderung von psychischer Gesundheit und persönlichem Wachstum, beispielsweise bei Fragen der Werte- und Entscheidungsfindung, bei der Bewältigung und Veränderung negativer Emotionen oder auch der Auflösung dysfunktionaler Denk- und Handlungsschemata.

Aus Senecas Thesen lassen sich folgende Ratschläge für ein „glückliches“ Leben im Sinne eines ausgewogenen, tugendhaften Lebens ableiten, das von innerer Ruhe, Selbstbestimmung und moralischer Integrität geprägt ist – Kriterien, die viele Menschen nennen wenn sie in einer Psychotherapie die Kriterien für ein glückliches Leben genauer hinterfragen:

1. Vernunft und Selbstbeherrschung: Seneca legt großen Wert auf die Vernunft als Quelle des wahren Glücks. Er betont die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, indem man trotz aufkommender Emotionen kluge und reflektierte Entscheidungen treffen kann. In der Therapie begegnet uns dieses Prinzip, wenn wir betonen, dass es nicht die Dinge selbst sind, die uns zu schaffen machen, sondern die Bewertung, die wir darüber anstellen.

2. Zeitnutzung: Die Stoiker, angeführt von Seneca, mahnen dazu, die Kostbarkeit der Zeit zu erkennen und sie nicht mit oberflächlichen Aktivitäten zu verschwenden. Er ermutigt dazu, die Zeit bewusst für sinnvolle Handlungen zu nutzen, die persönliches Wachstum und Erfüllung fördern. In der Therapie wenden Sie sich den Dingen zu, die wichtig sind und oft besteht schon ein wichtiger Schritt allein darin, dies gemeinsam herauszufinden. Hinter der Frage „Worüber möchten Sie sprechen“, die Ihnen häufig zu Beginn einer Sitzung gestellt wird, steht daher die wichtige Frage „Was ist Ihnen wichtig?“. Ein wichtiger therapeutischer Schritt besteht oft auch darin, sogenannte „positive Aktivitäten“ zu planen und durchzuführen: indem wir ins positive Handeln kommen, verändert sich unsere Stimmung und unsere Selbstwahrnehmung ebenfalls positiv.

3. Tugendhaftes Leben: Seneca hebt die Bedeutung der Tugend als Grundlage für ein erfülltes Leben hervor. Er erinnert daran, dass wahre Größe im Charakter liegt und nicht ausschließlich von äußeren Erfolgen abhängt. Die Betonung von Tugendhaftigkeit fordert dazu auf, nach moralischer Integrität zu streben und die Entwicklung eines starken Charakters zu fördern. Das Leben nach den eigenen moralischen Werten zu gestalten gibt Orientierung und Sicherheit in schwierigen Lebenssituationen. In der Therapie finden Sie heraus, welche Werte in Ihrem Leben bestimmend und handlungsleitend sein sollen und welche Verhaltensstrategien es Ihnen am besten ermöglichen, Ihr Leben nach diesen Werten sinnvoll und zufriedenstellend zu gestalten.

4. Weniger ist mehr: Die Philosophie Senecas appelliert an eine einfachere Lebensweise, die sich von übermäßigem materiellem Streben distanziert. Reduktion von materiellem Ballast wird als Weg zur Freiheit von unnötigem Stress und zu größerer Zufriedenheit betrachtet. Die Konzentration auf das Wesentliche, die Abgrenzung gegenüber erhöhten und überfordernden Ansprüchen und die Förderung eines selbstfürsorglichen und wertschätzenden Verhaltens ist in der Therapie ein kontinuierlicher Begleitprozess, der die Grundlage für persönliches Wachstum und Entlastung von psychischen Beschwerden darstellt.

5. Unabhängigkeit von äußeren Umständen: Seneca lehrt die Unabhängigkeit des Glücks von äußeren Bedingungen. Wahres Wohlbefinden entsteht durch innere Einstellungen und die Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Dies erfordert, sich nicht von äußeren Ereignissen negativ beeinflussen zu lassen und die Kontrolle über die eigenen Reaktionen zu bewahren. In der Therapie begegnen Sie diesem Prinzip, wenn Sie lernen, dass nicht die Umstände selbst, sondern Ihre Bewertung und Interpretation dieser Umstände Ihre emotionale Reaktion bestimmen.

6. Akzeptanz von Schicksalsschlägen: Seneca betont die Gelassenheit angesichts von Widrigkeiten und die Würde, mit der man das Schicksal annehmen sollte. Dies erfordert die Fähigkeit, unveränderliche Umstände zu akzeptieren und den Fokus auf das zu richten, was innerhalb der eigenen Kontrolle liegt. In der Therapie steht die Akzeptanz von nicht beeinflussbaren Umständen im Zentrum. Durch die Anerkennung und Akzeptanz dessen, was nicht veränderbar ist, kann innere Ruhe und eine konstruktive Bewältigung von Lebensherausforderungen gefunden werden.